Bei seinen Untersuchungen des Licht-Farbe-Verhältnisses mittels Prisma hat Newton als Nachweisinstrument des Lichts keine physikalischen Apparate, sondern sein eigenes farbenempfindliches Sehorgan eingesetzt.
Das Ergebnis seiner optischen Untersuchungen veröffentlichte Newton in einem mehrteiligen Werk, dessen übersetzter Titel lautet: „Optik oder Abhandlung über Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und Farben des Lichts.“ Bereits der Titel des Werks gibt zu erkennen, dass nicht nur die Spiegelung, Brechung und Beugung des Lichts, sondern auch „die Farben des Lichts“ behandelt werden. Den Anspruch, dass seine Optik gleichzeitig auch als eine Farbenlehre gelten soll, hat Newton in seinem Werk ausdrücklich bekräftigt.
Im ersten Buch der Optik (2. Teil, Prop. VII, Lehrsatz 5) heißt es:
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„Alle Farben in der Welt, die durch das Licht erzeugt sind und nicht von unserer Einbildungskraft abhängen, sind entweder Farben homogenen Lichts (Licht, dessen Strahlen gleiche Brechbarkeit besitzen) oder aus solchen zusammengesetzt“, |
und im zweiten Buch der Optik (2. Teil, Bemerkungen zu den vorhergehenden Beobachtungen) zieht Newton die folgenden Schlüsse:
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„Bei dieser Auffassung wird die Lehre von den Farben eine ebenso sichere mathematische Theorie, wie irgend ein anderer Teil der Optik, insoweit nämlich die Farben von der Natur des Lichts abhängen und nicht durch die Einbildungskraft oder etwa einen Schlag oder Druck auf das Auge hervorgebracht oder geändert werden“. |
Newtons Fazit lautet: Die Farben gehören dem Licht an und sind mit dem Licht
überall im Universum vorhanden. Die Farbenlehre ist ein Teil der physikalischen Optik, die Farben sind einer mathematischen Beschreibung zugänglich. Alle nicht unmittelbar vom Licht hervorgebrachten Farbenerscheinungen beim Menschen sind nur eingebildet, d. h. sie existieren nicht wirklich.
Aus dem umgekehrten Primenversuchs, bei dem die Auffächerung eines weißen Lichtstrahls in Spektralfarben wieder rückgängig gemacht wird (
Abb. 2), zieht Newton den Schluß, dass Weiß aus Farben zusammengesetzt ist. Diese Behauptung sollte zu einem der Hauptstreitpunkte zwischen Goethe und den Anhängern Newtons werden.
Newton hat sich bemüht, zwischen den aus Experimenten gewonnenen Erfahrungen und den durch die Experimente angeregten Spekulationen gewissenhaft zu unterscheiden. Bereits im ersten Buch (2. Teil, Definition) relativiert Newton die sich auf „Farbe“ beziehenden Teile seiner Optik und gibt folgende Definition von der „Farbe eines Lichtstrahls:
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„Und wenn ich einmal von farbigen oder gefärbten Lichtstrahlen spreche, so ist dies nicht im wissenschaftlichen oder strengen Sinn zu verstehen, sondern umgangssprachlich gemeint. Denn streng genommen sind die Strahlen nicht gefärbt. In ihnen liegt lediglich eine Macht oder Disposition, die Empfindung dieser oder jener Farbe zu erregen.“ |
Das heißt aber: Wenn Newton von „Farbe“ spricht, ist nach heutiger wissenschaftlicher Terminologie ein Farbreiz gemeint, der die Macht hat, eine Farbempfindung zu erregen. Dies impliziert die zentrale Frage jeder wissenschaftlichen Farbentheorie, in welchem Verhältnis der Farbreiz (Licht) zur Farbempfindung steht.
Newton war sich klar, dass die Antwort auf die zentrale Frage nicht auf experimentelle Erfahrung gegründet werden kann, sondern dazu die Spekulation zu Hilfe genommen werden muss. Am Schluß des dritten Buchs seiner Optik hat er alle Spekulationen und Hypothesen, die er nicht wissenschaftlich begründen konnte, die er aber Nachfolgern als Anregung hinterlassen wollte, als Fragen (Quaries) formuliert.
Newtons Meinung über das Verhältnis zwischen Licht und (Farben)Sehen erfährt man in Frage 12:
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„„Erregen nicht die Lichtstrahlen, wenn sie auf den Hintergrund des Auges fallen, Schwingungen auf der Netzhaut, die sich entlang der festen Fasern der Sehnerven bis zum Gehirn verbreiten und dort den Eindruck des Sehens hervorrufen?“ |
Newton nimmt eine aus Schwingungen bestehende Kausalkette an, ausgehend vom Farbreiz (Licht), der auf die Netzhaut wirkt, bis zum Gehirn, in welchem die Farbempfindung hervorgerufen wird. Mit anderen Worten: die Farbempfindung ist mit dem Farbreiz fest verkoppelt und kann nicht unabhängig vom Farbreiz existieren. Das heißt aber auch: Eine vom Farbreiz (Licht) unabhängige Farbempfindung ist ein Produkt der menschlichen Einbildungskraft und daher nicht real. Die Frage, in welchem Verhältnis der Farbreiz (Licht) zur Farbempfindung steht, wird daher: Farbreiz und Farbempfindung sind von gleicher Qualität, unterliegen den gleichen Gesetzen der physikalischen Optik und brauchen terminologisch nicht getrennt werden, beide Erscheinungen sind „Farbe“.
In
Abbildung 4 ist die Interpretation des Prismenversuchs im Sinne der modernen Naturwissenschaft dargestellt, die mit der Interpretation Newtons im wesentlichen übereinstimmt: in beiden Fällen wird das Licht als Träger der Farben angesehen. Es spielt dabei keine Rolle, dass Newton das Licht als Teilchenstrahlung interpretiert, wobei die Farbe mit der Teilchengröße korreliert ist, während die moderne Naturwissenschaft von einer elektromagnetischen Wellenstrahlung ausgeht und der Farbe eine Wellenlänge dieser Strahlung zuordnet. Newton spricht von den Farben des Lichts und die moderne Wissenschaft von polychromatischer (vielfarbiger) und monochromatischer (einfarbiger) Strahlung.